Freitag, 5. August 2011

Reisen und Urlaub in Dänemark: Von Prinzen und Spukschlössern

Idylle im Norden Jütlands: Warum Sæby, der kleine Hafen am Kattegat, zu jeder Jahreszeit märchenhaft ist
Es glitzert und funkelt in der Werkstatt von Frants Kristensen. Er ist Bernsteinschleifer, Künstler und Geschichtenerzähler, einer, wie es sie in der Hafenstadt Sæby am Kattegat geradezu scharenweise gibt. Seine zauberhafte Welt in einem der Kuschelhäuser der Algade ist Treffpunkt vieler Urlauber beim Familienurlaub Dänemark. Zu allen Jahreszeiten stöbern sie hier zwischen Schmuck und Fossilien, staunen in seinem kleinen Museum über die Tränen und das Gold des Meeres, und manchmal, am erfolgreichsten nach den Herbst- und Frühjahrsstürmen, wandern sie mit dem Meister am Wasser entlang, auf der Suche nach leuchtendem Strandgut.
Ein paar Häuser weiter, auch unter niedrigem Dach in historischer Umgebung, pustet Leni Bille liebenswerten Schmuck. Die fröhliche Glasbläserin gehört zur lebhaften Künstlerkolonie im so genannten „Lysets land“ (Land des Lichts) an der Ostküste Nordjütlands. Immer, so freut sich Leni, ist in Sæby etwas los, sogar zwischen Oktober und März, wenn der Rest der dänischen Nordkappe in den Winterschlaf fällt.
Von Claus Brusen, dem Maler, muss noch schnell erzählt werden, bevor wir mit Joan Christensen durch das Städtchen bummeln. Claus lässt auf seinem Bauernhof am Ortsrand Phantasien freien Lauf, die längst von der Kunstwelt anerkannt sind, Bilder, in denen Zauberer und Elfen aus Tortenschachteln oder Überraschungseiern springen. Und erst recht muss Grethe Hvass, die kauzige Weberin und Malerin, erwähnt werden, die sich ebenfalls Ruhm und Ehre weit über Sæby hinaus erworben hat. Einige ihrer Werke schmücken den Altar der Marienkirche, der ältesten und schönsten im ehemaligen Seefahrer- und Fischerdorf.
Prinz Henrik, der Gatte der feinsinnigen dänischen Königin Margrethe, war gern gesehener Kunde bei Claus. In Sæby ist man jedenfalls überzeugt, dass Henrik mehr von dänischer Kunst als vom dänischen Essen versteht. Auch zwischen Frederikshavn und Aalbæk glaubt der Prinz nämlich eher einen kiloschweren Bernsteinklumpen als jene Haute cuisine seiner französischen Heimat zu finden, die er, zur Empörung seiner angeheirateten Untertanen immer mal wieder lautstark vermisst.
Frauen vom Meer
Nun aber los mit Joan, die vor vielen Jahren in Sæby geboren ist. Die alte Dame zeigt nur zu gern, mit vielen Döntjes und auch auf Deutsch, die kleinen Wunder ihrer Heimatstadt: das Museum, in denen eine Schul- und eine Wohnstube aus alten Zeiten für viel Spaß sorgt; die Kirche, Relikt eines ehemaligen Karmeliterklosters aus dem 15. Jahrhundert; den Hafen mit seiner modernen Marina -  und dort mit Stolz und gleich mehreren Legenden auf Lager die Skulptur „Frau vom Meer“, die seit fast zehn Jahren zum neuen Wahrzeichen der alten Stadt gereift ist.
"Fruen fra Havet", eine janusköpfige Figur, die zum Land und zum Meer schaut, geschaffen 2001 von der Norwegerin Marit Benthe Norheim, erinnert zunächst mal an das gleichnamige Schauspiel von Henrik Ibsen. Der norwegische Dichter war 1887 einen Sommer lang in Sæby, hatte sich Sagen und Märchen erzählen lassen, uralte Geschichten von Meerjungfrauen und von einem Marienbild, das von einem Schiff geworfen und an diese Küste gespült wurde.
Die Skulptur, eine Art Galionsfigur aus weißem Beton, verbindet Gegenwart und Vergangenheit, Aufbruch und Ankunft, alte Themen in einer Stadt, die schon in ihrem Namen die Verbindung zur See ausweist. Joan Christensen, die Stadtführerin, knüpft Fäden von der märchenhaften Frau am Hafen zu den Spukschlössern der Umgebung. Wenn die großen Buchenwälder vor den Toren Sæbys durchstreift und im Frühjahr die blühenden Rhododendronplantagen ausgiebig bewundert und fotografiert sind, führt Joan ihre Gäste zum alten Herrenhaus Sæbygaard.

Frauen vom Schloss
Dort, so weiß die Fama, wandelt seit über 400 Jahren des Nachts eine adlige Dame durch den Korridor und verschwindet durch eine imaginäre Tür in den Turm. Ob Pernille Ox, so hieß die Erbauerin, seinerzeit den Baumeister ermorden ließ, der, so viel ist immerhin überliefert, 1576, im Jahr der Fertigstellung unter mysteriösen Umständen starb? Noch prächtiger das Renaissance-Schloss Voergaard ein paar Kilometer weiter im schmalen Binnenland gelegen, noch ausgeschmückter die dortige Spuklegende. Auch dabei, nur drei Jahre nach den Ereignissen auf Sæbygaard, soll ein Baumeister das Opfer gewesen sein. Auch dort geht seither eine böse Frau, Ingeborg mit Namen, ruhelos im Schloss umher.
Guter Stoff für lange Winterabende an dänischen Bulleröfen oder für Spaziergänge an den über zwanzig Stränden der Umgebung, hinter denen sich Hunderte Ferienhäuser in einem Grüngürtel verstecken. Perfekt abrunden lassen sich solche Geschichten in einem historischen Gasthof, im Aalbæk Kro zum Beispiel, etwas weiter nach Norden zu und seit 1818 eine gute Adresse für dänische Hausmannskost. Dort tischt Wirtin Ulla illustrierte Brote und Frokostplatten nach alter Väter Sitte auf, wie sie im übrigen Königreich selten geworden ist. Prinz Henrik, der Kunstgenießer, würde sich bei Ulla womöglich bestätigt sehen - das aber auf höchst vergnügliche Weise.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen